Das Wort Spastik kommt aus dem griechischen und bedeutet ursprünglich Krampf. Bei einer spastischen Erkrankung ist das Zusammenspiel zwischen Muskeln, Gehirn, Rückenmark und Nerven gestört – zum Beispiel nach einem Unfall mit Beteiligung der Schädel-Hirn-Region oder des Rückenmarks oder nach Hirnentzündungen oder frühkindlichen Hirnschädigungen (Infantile Zerebralparese). In der Folge kannst Du Deine Muskeln nicht mehr bewusst an- und entspannen. Stattdessen ist die Skelettmuskulatur dauerhaft angespannt, was mit steifen Muskeln und verminderter Beweglichkeit sowie einer deutlichen Einschränkung der Selbstständigkeit und Lebensqualität einhergeht.

Je nach Krankheitsbild bieten wir Dir unterschiedliche Therapieformen an. Die Intrathekale Baclofentherapie und die Selektive Dorsale Rhizotomie (SDR) erklären wir Dir hier etwas ausführlicher.

Intrathekale Baclofentherapie (ITB)

Das Medikament Baclofen (Handelsname: Lioresal®) kann die Muskelspannung (Muskeltonus) reduzieren. Das Medikament kannst Du als Tablette zu Dir nehmen – allerdings reicht die Wirkung dann oft nicht aus. Eine ausreichend hohe Dosierung wiederum führt oft zu unangenehmen Nebenwirkungen: Es kann zum  Beispiel sein, dass Du sehr müde wirst oder Dir häufig übel ist. Diese Nebenwirkungen können wir umgehen, indem wir das Baclofen direkt dort geben, wo es wirkt, nämlich in den Rückenmarksbeutel (Duralsack). So vermeiden wir den Umweg über den Blutkreislauf und erreichen mit einer viel niedrigeren Dosierung eine deutlich bessere Wirkung auf die Muskelspannung. 

Um dieses Ziel zu erreichen, können wir eine Medikamentenpumpe unter der Bauchhaut einsetzen (vergleichbar wie bei einem Herzschrittmacher). Diese Pumpe besitzt einen 20 Milliliter-Tank für das Baclofen und wird über einen Schlauch unter der Haut mit dem Wirbelsäulenkanal verbunden. Mit Hilfe eines Steuergerätes können wir sie von Außen so programmieren, dass die für Dich optimale Menge Baclofen um das Rückenmark herum gepumpt wird. Nach dem Einsetzen der Pumpe muss der Baclofen-Vorrat alle zwei bis drei Monate nachgefüllt werden. Hierfür führen wir eine dünne Nadel (ähnlich der beim Blutabnehmen) durch die Haut hindurch in den Tank ein.

Durch die Baclofen-Pumpe können die Schmerzen, die durch die dauerhafte Anspannung der Muskeln entstehen – insbesondere bei schwer betroffenen Kindern mit spastischen Armen und Beinen (so genannten Tetraspastik) – sehr gut gelindert werden. Außerdem nehmen Kinder mit einer Baclofen-Pumpe oft an Gewicht zu – was gewollt ist, denn die meisten Kinder mit einer Spastik sind zu dünn: Die dauerhafte Muskelanspannung verbraucht sehr viel Energie – oft mehr als man dem Körper mit normalem Essen zuführen kannst.

Die Baclofen-Pumpe hilft darüber hinaus, Operationen in Folge der Spastik zu vermeiden: Denn auch wenn Du eine sehr gute Krankengymnastik bekommst, entwickeln sich durch die Spastik mit der Zeit oft Verkürzungen der Sehnen oder Fehlstellungen der Gelenke, insbesondere an Hüften und Füßen. Diese müssen häufig mit einer Operation korrigiert werden – meist sogar mehrfach, da die Spastik als Ursache des Fehlwachstums ja bestehen bleibt. Die gelinderte Muskelspannung durch die Baclofen-Pumpe hilft, diese Folgeprobleme zu vermeiden.

Auch wenn du an einer Dystonie – dem unwillkürlich auftretenden An- und Entspannen der Muskeln mit daraus folgenden Fehlhaltungen oder Fehlbewegungen – leidest, kann eine Baclofen-Pumpe möglicherweise eine geeignete Behandlung sein.

Selektive dorsale Rhizotomie (SDR)

Wie bei der Baclofen-Pumpe ist unser Ziel auch bei der selektiven dorsalen Rhizotomie, die dauerhafte Muskelspannung zu reduzieren. Bei dieser Methode geben wir Dir hierzu allerdings kein Medikament, sondern durchtrennen ausgesuchte Nervenfasern, die entscheidend für die Spastik sind:

Diese Nervenfasern haben etwas mit Reflexen zu tun. Reflexe ermöglichen dem Körper, sehr schnell auf bestimmte Reize zu reagieren. Wenn man zum Beispiel stolpert, muss die Kniescheibensehne nicht erst zeitaufwändig dem Gehirn melden, dass sie gerade gestreckt wurde – stattdessen gibt es eine Abkürzung: Die Information aus der Sehne geht nur bis zum Rückenmark und wird dort in ein Signal umgewandelt. In unserem Stolper-Beispiel wird der Oberschenkel-Muskel also sehr schnell informiert, dass er sich anspannen muss, um einen Sturz zu verhindern. Diesen verkürzten Informationsprozess nennt man „Reflexbogen“. Damit dieser eigentlich sinnvolle Prozess aber nicht dauernd abläuft, gibt es spezielle Nervenbahnen, die sich vom Gehirn bis zum Rückenmark ziehen, und dort einen hemmenden Einfluss auf den sogenannten Reflexbogen ausüben. Bei Menschen mit einer Spastik sind diese hemmenden Bahnen auf ihrem Weg entweder im Gehirn oder im Rückenmark unterbrochen und können in der Regel nicht repariert werden. Die Reflexantworten laufen also ungehemmt ab. Die so entstehende Muskelanspannung wird nun über sensible (fühlende) Nerven wieder dem Rückenmark zurückgemeldet und führt zum erneuten Auslösen des Reflexbogens. So entsteht ein Teufelskreis, bei dem die Muskelanspannung ständig weiter aufrecht gehalten und damit zur Spastik wird.

Bei der selektiven dorsalen Rhizotomie identifizieren wir ganz genau, welche Nerven mit ihrer Rückmeldung den Teufelskreis der Muskelanspannung aufrechterhalten und durchtrennen Teile dieser Nerven gezielt. Mit diesem Verfahren können wir allerdings nur eine Spastik der Beine (nicht der Arme) behandeln, da es nur im Bereich der Lendenwirbelsäule angewendet werden kann.

Besonders erfolgreich ist dieses Verfahren bei Kindern, bei denen eine Spastik der Beine (Diparese) in Folge einer frühkindlichen Hirnschädigung (infantile Zerebralparese) entstanden ist, die aber – wenn auch mit Schwierigkeiten – gehen können. Mit der Rhizotomie können wir mögliche Folgeschäden der Spastik – zum Beispiel Fehlstellungen von Beinen und Füßen, schwere Gangstörungen, Verkrümmungen der Wirbelsäule oder Verdrehung der Hüfte – minimieren und so auch wiederholte orthopädische Korrekturoperationen vermeiden. Bei einigen Kindern normalisiert sich das Gangbild nach der Operation vollständig. Ein weiterer Vorteil der Rhizotomie besteht darin, dass keine Medikamentenpumpe und damit auch keine regelmäßigen Krankenhausbesuche nötig sind.

Im Anschluß an den etwa einwöchigen Krankenhausaufenthalt nach der Rhizotomie wird dann in weiteren 6 Wochen auf unserer Rehastation das Gehen ohne Spastik ganz neu erlernt und damit die Grundlage für den dauerhaften Erfolg der Rhizotomie geschaffen.

Kontakt und Sprechstunde

Liebe Eltern,

in Sonderfällen können wir auch Termine außerhalb unserer Sprechstundenzeiten vereinbaren. Zur Terminvereinbarung kontaktieren Sie bitte die Zentralambulanz 1, Tel.: 040 88908 704.
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