Operationsverfahren
Auch eine Operation kommt als Behandlungsverfahren in Frage – vereinfacht kann man sagen, dass Skoliosen ab einer Verkrümmung von 45 Grad operiert werden sollten. Angeborene Skoliosen müssen meist ebenfalls mit einer Operation behandelt werden, da sie durch eine Störung in der Entwicklung der Wirbelsäule entstehen, die ohne Operation nur selten behoben werden kann. Wir operieren bei einer angeborenen Skoliose möglichst früh, um zu verhindern, dass sich die Wirbelsäule weiter verkrümmt und eventuell zusätzliche Probleme auslöst. Auch bei neuromuskulären Skoliosen – also solchen, die auf eine Erkrankung an Muskeln und Nervensystem wie zum Beispiel die so genannte „Muskeldystrophie Duchenne“ zurückgehen – müssen wir Dich meist operieren, um Dir zu helfen. Auch hier gilt, dass sehr frühe Operationen meist bessere Ergebnisse bringen, da wir den Verkrümmungsprozess der Wirbelsäule aufhalten können.
Wichtig zu wissen ist, dass die modernen Operations- und Narkoseverfahren heute sehr sicher sind. Selbstverständlich erklären wir Dir und Deinen Eltern das Operationsverfahren vorher ganz genau und beantworten alle eure Fragen. Hier findest Du aber schon einmal ein paar erste Informationen zu einigen Operationsverfahren:
- Spondylodese (Versteifung): Bei dieser Operation korrigieren wir die Form der Wirbelsäule soweit wie möglich. Um sie zu stabilisieren, müssen wir Abschnitte der Wirbelsäule versteifen, wozu wir die betroffenen Bereiche mit Implantaten (zum Beispiel Schrauben / Stäben) fixieren und Vorkehrungen treffen, damit die Wirbelkörper an den entsprechenden Stellen zusammenwachsen – zum Beispiel legen wir kleine Knochenspäne, die wir aus einem anderen Teil deines Körpers entnehmen, zwischen den Wirbelkörpern ein. Versteifen klingt erstmal schlimm – die geringere Beweglichkeit nach einer solchen Operation empfinden die meisten Patienten aber nicht wirklich als Einschränkung und in vielen Fällen ist die Gesamtbeweglichkeit kaum beeinträchtigt.
- Operationsverfahren ohne Versteifung (so genannte „Non-Fusion-Techniken“): Diese in den letzten Jahren entwickelten Techniken können insbesondere bei jüngeren Kindern mit einer Skoliose gut eingesetzt werden. Wir setzen unter anderem folgende Verfahren ein:
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Vertebral Body Tethering (VBT) Hierbei handelt es sich um ein ganz neues Verfahren, welches seit Anfang 2018 zugelassen ist. Es scheint geeignet für so genannte idiopathische Skoliosen mit mindestens 1-2 Jahren Restwachstum. Dabei werden minimal invasiv Schrauben in die Wirbelkörper eingebracht, die dann mit einem elastischen Band verbunden werden. Sofort nach der Operation besteht bereits eine deutliche Korrektur, dies sich dann im Laufe des Restwachstums weiterhin verbessert. Es handelt sich dabei um ein Verfahren ohne Versteifung. Geeignet ist es für Krümmungen zwischen 30-60 Grad und etwa ab dem 10. Lebensjahr. Eine anschließende Korsettversorgung ist nicht erforderlich, und sportliche Betätigungen können weiterhin durchgeführt werden. Bei vielen Kindern können durch dieses Verfahren spätere Versteifungsoperationen mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert werden. Weitere Informationen hier.
- Growing rods: Dieses Verfahren ist für Kinder zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr geeignet. Hierbei bringen wir sogenannte „growing rods“ (deutsch: „Wachstumsstäbe“) von hinten an der Wirbelsäule an. Hierzu implantieren wir im Bereich der Lendenwirbelsäule und im Bereich der Brustwirbelsäule Klammerkonstruktionen, die als Verankerung für fünf bis sechs Millimeter dicke Stäbe dienen. Früher mussten Kinder mit solchen Wachstumsstäben ca. alle sechs Monate operiert werden, um die Stäbe dem Wachstum anzupassen. Das ist heute zum Glück nicht mehr nötig, da wir die Implantate heute von außen durch den Einsatz eines speziellen Magneten verlängern können – Nachfolgeoperationen sind also nicht nötig.
- Titanrippen (VEPTR-Verfahren): Dieses Verfahren wird zur Behandlung von Fehlbildungen des Brustkorbes und der Wirbelsäule genutzt. Verkrümmungen der Brustwirbelsäule sind oft besonders schwerwiegend, da sie die Lungenfunktion und damit Lebensqualität und Leistungsfähigkeit stark beeinflussen. Ziel der Behandlung mit vertikalen Titanrippen ist es, die Fehlbildung zu korrigieren und gleichzeitig das weitere Wachstum der Wirbelsäule zu ermöglichen. Im Rahmen der Operation werden die Titanrippen zwischen den Ansatzpunkten (Rippe-Rippe, Wirbelsäule-Rippe oder Becken-Rippe) teleskopartig aufgespannt. Hierdurch ziehen sie die Fehlbildung quasi auseinander und schaffen so im Brustkorb wieder Platz für die Entwicklung der Lungen. Gleichzeitig stabilisieren sie die Wirbelsäule. Titanrippen können nicht für alle Krankheitsbilder eingesetzt werden. Sie eignen sich insbesondere für
- Erkrankungen, bei denen die Rippen zu wenig in die Breite wachsen (z.B. Jeune-Syndrom oder Achondroplasie)
- Erkrankungen, bei denen die Brustwirbelsäule nicht genug in die Länge wächst (z.B. Jarcho-Levin-Syndrom)
- Schwere Skoliosen im frühen Kindesalter mit einer Kombination von Fehlbildungen der Wirbelsäule und des Brustkorbs (z.B. angeborene Skoliosen mit Rippenanomalien)
- Neuromuskuläre (also das Muskel- und Nervensystem betreffende) Erkrankungen, die schon bei sehr jungen Kindern zu schweren Wirbelsäulendeformitäten führen (z.B. spinale Muskelatrophie oder Myelomeningozele). Bei vielen neuromuskulären Skoliosen kann man heute auch schon die magnetisch nachstellbaren Wachstumsstäbe einsetzen und so auf wiederholte Nachstellungsoperationen verzichten.
Je nach Erkrankung kommen unterschiedliche Operationsverfahren in Betracht. Diese erklären wir natürlich ausführlich im Aufklärungsgespräch.
Weitere Informationen
Dr. med Kiril Mladenov, Geschäftsführender Oberarzt der Kinderorthopädie, Sektionsleiter Deformitäten und Leiter des pädiatrischen Wirbelsäulenzentrums am Altonaer Kinderkrankenhaus, spricht im Interview mit DocCheck über die neue S2k-Leitlinie zur adoleszenten idiopathischen Skoliose: zum Video
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