
06.05.2024
„Lilly ist ein Vorbild für viele Betroffene“ – Lilly L. wird Hamburger Judo-Vizemeisterin mit Diabetes mellitus Typ 1
Hamburg, 06.05.2024 – Seitdem sie fünf Jahre alt ist, macht Lilly L. die japanische Kampfsportart Judo. Die Hamburger Vizemeisterin trainiert zwei bis drei Mal pro Woche beim VfL Pinneberg. Doch zwischenzeitlich musste sie das Training für einige Wochen pausieren. Der Grund: Diabetes mellitus Typ 1.
„Mir geht es gut und ich kann wieder Judo machen wie zuvor.“ Vor circa 1,5 Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, diese Worte von Lilly zu hören. Im Sommer 2022 kam die 14-Jährige ins Altonaer Kinderkrankenhaus und schnell war klar: Lilly ist an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt. Damit ist sie nicht allein: Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 29 von 100.000 Kindern neu an Diabetes mellitus Typ 1. Im Altonaer Kinderkrankenhaus und im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) des Altonaer Kinderkrankenhauses werden jährlich ca. 650 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 behandelt.
„Natürlich ist die Diagnose von Diabetes mellitus Typ 1 zunächst einmal eine massive Umstellung im Vergleich zum vorherigen Normal. Plötzlich ist alles anders. Das ist vor allem für Kinder und Jugendliche eine große Herausforderung. Wichtig ist dann, zu lernen, mit dieser neuen Situation umzugehen und zu merken, dass es ein Zurechtkommen im neuen Normal gibt“, so Dr. Anna Gärtner, Lillys behandelnde Ärztin sowie Weiterbildungsassistentin Endokrinologie und Diabetologie. Erhöhter Harndrang, großer Durst und Gewichtsverlust sind die typischen Symptome für einen Diabetes mellitus Typ 1. Auch bei Lilly traten diese Symptome auf. Hinzu kamen leichte Übelkeit und Schlappheit. Gemeinsam mit ihrer Mutter kam Lilly darum ins Altonaer Kinderkrankenhaus. Dort wurde aufgrund der typischen Symptome direkt der Blutzucker bestimmt: Die behandelnden Ärztinnen stellten bei Lilly einen sehr hohen Blutzuckerwert, weit über 200 mg/dl (Normwert: 70-140 mg/dl), fest.
„Ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie es mit dem Judo-Training weitergehen wird. Werde ich, wenn es mir bessergeht, wieder so oft wie vorher trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen können?“, so die 14-Jährige. Die Sommerferien lang musste Lilly das Judo-Training pausieren. Um den Umgang mit der chronischen Erkrankung zu lernen, war sie gemeinsam mit ihrer Mutter zwei Wochen in stationärer Behandlung. Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus Ärztinnen, Diabetesberaterinnen, Pflegekräften, Ernährungsberaterinnen und dem psychosozialen Dienst, war rund um die Uhr für Lilly und ihre Mutter da. „Ich habe mich im AKK von Anfang an gut aufgehoben und umsorgt gefühlt. Ich habe gelernt, was es heißt, mit meinem Diabetes den Alltag zu bewältigen“, berichtet Lilly. „Und das ist gar nicht so einfach. Da der Diabetes keine Pause hat, muss er gut in den Alltag integriert werden“, betont Dr. Gärtner. Für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet dies einen hohen Organisationsaufwand. Wichtig ist, dass die Therapie um den gewünschten Alltag organisiert wird und nicht andersherum. Da es Lilly wichtig war, wieder trainieren zu können, wurde ein besonderer Fokus auf die Therapieanpassung bei energiereichen Tätigkeiten wie Sport gelegt. „Mittlerweile komme ich alle drei Monate zu Kontrolluntersuchungen ins AKK. Die Ärztinnen und anderen Mitarbeiterinnen haben immer ein offenes Ohr für mich“, so Lilly. „Aber nicht allen Kindern und Jugendlichen fällt es scheinbar so leicht ihre Erkrankung im Alltag zu integrieren. Daher versuchen wir nach Möglichkeit zu unterstützen“, hebt Dr. Gärtner hervor. Im Altonaer Kinderkrankenhaus gibt es für die Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus ein vielfältiges Schulungsangebot: Pumpenschulungen, Gruppenschulungen, Erlebnisschulungen (Segel- und Fußballschulung) und Ernährungsschulungen. Im Vordergrund steht immer, einen selbstbewussten Umgang mit dem Diabetes zu erlernen, sich auszutauschen und eine Selbstverständlichkeit in die Therapie zu bringen. Außerdem müssen neue technische Möglichkeiten der Insulinabgabe wie eine Insulinpumpentherapie mit automatisierter Insulinabgabe erlernt werden. Für die hohe Qualität in der Diabetesbehandlung hat das Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche am Altonaer Kinderkrankenhaus mit dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) das Siegel „Diabeteszentrum DDG“ von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erhalten.
Exakt ein Jahr nach ihrer Diagnose wurde Lilly Hamburger Judo-Vizemeisterin. „Lilly ist eine Kämpferin. Als wir im Krankenhaus waren, meinte sie zu mir: ‚Mama, es gibt Schlimmeres. Ich schaffe das.‘ Es ist wirklich toll, wie Lilly mit ihrem Diabetes umgeht“, sagt Lillys Mutter mit einem Lächeln im Gesicht.
Infokasten „Wie entsteht Diabetes mellitus Typ 1 und wie wird er behandelt?“, am Beispiel von Lilly
Lilly und andere Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 können zwar kohlenhydratreiche Mahlzeiten wie Spaghetti, Brot oder eine süße Nachspeise verdauen und als Blutzucker ins Blutgefäßsystem aufnehmen – der Blutzucker steigt – aber dann geht es nicht weiter. Eigentlich soll der Zucker in alle Körperzellen weiter transportiert werden. Die Körperzellen nutzen Zucker als Energieträger und er ist der wichtigste Energieträger des Körpers. Und warum geht es bei Lilly und Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 nicht weiter? Ihnen fehlt Insulin. Insulin hat eine Schlüsselfunktion im menschlichen Körper und öffnet bildlich gesprochen ‚Zuckertüren‘ zwischen Blutgefäßen und Körperzellen. Fehlt der Schlüssel, bleiben die Türen geschlossen. Als Folge steigt der Blutzucker massiv an und auf der anderen Seite der ‚Zuckertüren‘ kommt der Zucker in den Körperzellen nicht an. Fehlt den Körperzellen ihr Hauptenergielieferant, fühlt man sich schlapp. Wie Lilly, als sie in die Notaufnahme kam. Direkt nach der Aufnahme wurde Lilly das erste Mal Insulin gegeben, damit sich die ‚Zuckertüren‘ wieder öffnen konnten. Die Schlappheit verflüchtigte sich im Lauf der nächsten Tage, die Energie kehrte zurück. Damit das so bleibt, muss sich Lilly Zeit ihres Lebens Insulin geben, mindestens vier Mal am Tag. Zusätzlich muss der Blutzucker zur Therapieüberwachung gemessen oder auf einem Gewebezuckermesssensor abgelesen werden, mindestens vor und etwa zwei Stunden nach den Mahlzeiten. Wurde zu viel oder zu wenig Insulin gegeben, muss angepasst werden: entweder noch mehr Insulin geben oder Kohlenhydrate essen.
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