
Einnässen bei Kindern ist ab einem gewissen Alter ein Tabuthema. Viele Kinder schämen sich, die Eltern sind oft ratlos. Was viele nicht wissen: Etwa eines von zehn Kindern über fünf Jahre nässt noch ein. Die Krux an der Sache: Kaum jemand spricht darüber, weshalb Betroffene und deren Eltern oft still leiden und Sorge haben, mit ihnen stimme etwas nicht. Dr. med. Thomas Henne, Oberarzt der Nephrologie (Nierenheilkunde) am Altonaer Kinderkrankenhaus, weiß, dass nur selten körperliche oder psychische Erkrankungen die Ursache für das Einnässen sind. Fast immer ist dies in einer noch nicht vollständig abgeschlossenen Reifung der Blasenkontrolle begründet.
Mediziner unterscheiden zwischen dem Einnässen in der Nacht und dem Einnässen am Tag. Kindern gelingt es in der Regel zuerst, tagsüber den Harndrang zu kontrollieren. Bis sie auch nachts keine Windel mehr benötigen, dauert es meist etwas länger. Außerdem ist es keine Seltenheit, dass Kinder, die schon ein paar Tage trocken waren, wieder einnässen. Das Trockenwerden geschieht in Etappen, dabei sind auch „Rückschritte“ normal. Die Altersspanne für das Trockenwerden ist individuell sehr unterschiedlich und liegt zwischen 2 und 4 Jahren.
„Ein Kind, das einnässt und älter als fünf Jahre ist, sollte einem Kinderarzt vorgestellt werden“, erklärt Dr. med. Thomas Henne. „Es gilt, die Ursache für das Einnässen zu finden. Organische Ursachen, wie beispielsweise eine überaktive Blase oder eine verspannte Blasenentleerung können gut behandelt werden. Meist steckt jedoch lediglich eine Reifeverzögerung dahinter, dann sprechen wir von einer ‚funktionellen Störung‘“, so der Mediziner. „Das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Blase ist ein komplexes System, das lange braucht, bis es sich gut eingestellt hat“, führt er aus. Henne erklärt weiter, dass dieses System, wenn es bereits funktioniere, durch Stress wieder aus dem Gleichgewicht geraten könne. Es sei nicht selten, dass Kinder, die eigentlich schon trocken waren, wieder einnässen. Der Ausdruck ‚sich vor Angst in die Hose machen‘ rühre daher.
Auch im Schulalter leiden viele Kinder noch unter Harninkontinenz. Etwa 2-9 % der 7-jährigen sind tagsüber betroffen. Hilfe erhalten betroffene Familien in der Tagesklinik im Altonaer Kinderkrankenhaus. Je nachdem, ob eine organische Störung oder eine verzögerte Reifeentwicklung vorliegt, gibt es unterschiedliche Therapiemöglichkeiten. Zum Beispiel die sogenannte „Urotherapie“, dabei lernen Kinder auf ihren Körper zu hören, zu spüren, wann die Blase voll ist und sie eine Toilette aufsuchen müssen. Hiermit werden gute und nachhaltige Erfolge erzielt. „Am wichtigsten ist es, unseren kleinen Patienten zu vermitteln, dass es in Ordnung ist, wenn sie für das Trockenwerden etwas mehr Zeit benötigen als Altersgenossen. Jedes Kind ist einzigartig und es sollte jedem Kind zugestanden werden, sich in seinem eigenen Tempo zu entwickeln“, sagt der Pädiater.
So helfen Sie Ihrem Kind beim Trockenwerden
Der Erwerb der Blasenkontrolle ist ein komplexer Entwicklungsprozess. Es gibt viele Möglichkeiten, wie Sie Ihr Kind beim Trockenwerden unterstützen können. Besonders ältere Kinder leiden unter Scham- und Schuldgefühlen, deswegen ist es sehr wichtig, dass Sie Ihrem Kind Zeit geben und ihm mit Verständnis begegnen. Eine wohlwollende und verständnisvolle Umgebung ermöglicht Fortschritte. Ausschimpfen und Bestrafungen sind kontraproduktiv und verunsichern Ihren Sprössling. Belohnen Sie auch kleinste Erfolge. In der Urotherapie haben sich die „3 W-Fragen“ bewährt, die Sie auch mit Ihrem Kind zu Hause praktizieren können.
3 W-Fragen: Wann? Wie oft? Wie?
Wann musst Du? Spüre, wenn Deine Blase voll ist und gehe in Ruhe zur Toilette. Du hast genügend Zeit.
Wie oft musst Du? Gehe regelmäßig zur Toilette und zwar immer dann, wenn Du merkst, dass Du mal musst. Auch wenn Du gerade spielst und keine Lust hast, auf die Toilette zu gehen.
Wie sitzt du auf der Toilette? Lasse Dir Zeit und mache die Blase in einem Mal leer.
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